go!digital 3.0: Ausgewählte Projekte


Open Pashto-English Dictionary: A gateway to Afghanistan’s history and dialectology

Jeremy Bradley (Universität Wien, Dept. of European and Comparative Literature and Language Studies)
Veronika Milanova (ÖAW, Institut für Iranistik)

Ziel des Projekts ist die Schaffung eines Paschto-Onlinewörterbuches für wissenschaftliche wie nichtakademische Kreise (Sprecher des Paschto in Afghanistan und Pakistan sowie in der weltweiten Diaspora) einschließlich Personen, die beruflich als Dolmetscher und Übersetzer arbeiten.

Die Grundlage unseres Onlinewörterbuches stellt das Paschto-Russische Wörterbuch Aslanovs (1985) dar; dazu kommt eine Anzahl an neuen Lemmata aus anderen Quellen einschließlich akademischen Artikeln und unserer eigenen Feldforschung mit Sprechern des Paschto. So stellen wir sicher, dass das Wörterbuch die notwendigen Neologismen der letzten Jahrzehnte, die in allen Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens bemerkbar sind, abdeckt. Zusätzlich arbeiten wir neue Daten aus unserer Feldforschung mit Muttersprachlern aus Afghanistan und Pakistan ein, die es uns ermöglichen, nicht nur weitere semantische Nuancen zu existierenden Lemmata in Aslanov aufzuzeigen, sondern auch gänzlich neue Wörter aus der Umgangssprache und den verschiedenen Dialekten hinzuzufügen.

Die Inklusion technischen und umgangssprachlichen Vokabulars, das sich bisher in keinen Wörterbüchern findet, stellt einen Schwerpunkt unseres Projektes dar. Das „technische“ Vokabular bezieht sich hierbei auf Neologismen (für verschiedenste materielle wie immaterielle Errungenschaften des 21. Jahrhunderts), die sich besonders häufig in paschtunischen traditionellen und sozialen Medien finden, jedoch bisher wenig bis gar nicht in Wörterbüchern zu finden sind. Der „umgangssprachliche“ Wortschatz wiederum meint dialektales Vokabular, das sich nur in eingeschränktem Maße im Standard großer Zentren wiederfindet, wie auch alltägliche Ausdrücke, die von früheren Lexikografen entweder nicht erfasst wurden oder willentlich nicht aufgenommen wurden. In diesen beiden Bereichen arbeiten wir nicht nur unsere eigenen Aufzeichnungen aus der Feldforschung ein, sondern bauen auch auf die Mitarbeit aus den Gemeinschaften der Muttersprachler und Übersetzer, die oft vor das schwierige Problem gestellt werden, präzise paschtunische Ausdrücke für behördliche und rechtssprachliche Termini finden zu müssen.

Jeder Eintrag besteht aus einer kurzen grammatikalischen Information, einer etwaigen dialektalen Einordnung und einer Übersetzung ins Englische. Die grammatikalischen Angaben beinhalten den Nominalstamm des Nomens bzw Adjektivs, mit dessen Hilfe die Beugung (etwa des Obliquus Singular oder des Rektus Plural) erschlossen werden kann. Eine Tabelle zu den Nominalstämmen des Paschto mit Beispielen wird auf der Webseite zur Verfügung gestellt. Eine deutsche Übersetzung und Angaben zur Herkunft des Lemmas werden dann hinzugefügt, wenn sie bereits in unseren Quellen genannt werden. (In den übrigen Fällen werden diese Informationen im Rahmen eines zukünftigen Projektes eingearbeitet.) Bei Wörtern mit besonders großer dialektaler Varianz werden überdies Audioaufnahmen von Muttersprachlern aus den jeweiligen Regionen aufgenommen.


Kaleidoscopic Patterns of Protest: Qualifying and Quantifying Visual and Textual (Self-)Representations in Eastern European Protest Cultures

Gernot Howanitz (Universität Innsbruck, Institut für Slawistik)
Magdalena Kaltseis (Universität Innsbruck, Institut für Fachdidaktik)

In den letzten Jahren haben politische Protestbewegungen in Osteuropa, vor allem in Russland, der Ukraine und Belarus großen Aufschwung erlebt. In diesen drei Ländern besetzten protestierende Menschen öffentliche Plätze und verwendeten visuelle Symbole und Slogans, um andere Menschen dazu bewegen, sich den Protesten anzuschließen. Gleichzeitig wurden Bilder der Protestierenden auch von den autoritären Regierungen dieser Länder genutzt, um die Protestbewegungen zu delegitimieren. Aus diesem Grund sind die medial vermittelten (Selbst-)Repräsentationen, u.a. YouTube-Videos, Blogbeiträge, die Kommunikation über Soziale Netzwerke, Fernsehnachrichten sowie Dokumentarfilme, ein integraler Bestandteil der Proteste selbst. In unserem Forschungsprojekt konzentrieren wir uns auf diese verschiedenen (Selbst-)Repräsentationen der Protestkulturen, die wir aus drei verschiedenen Perspektiven betrachten: (1) die Selbstrepräsentation der Protestkulturen auf YouTube sowie in den sozialen Netzwerken, (2) deren offizielle Darstellung in regierungstreuen sowie in unabhängigen TV-Nachrichtensendungen und (3) ihre cineastische Darstellung in drei Dokumentarfilmen. Aufgrund dieser verschiedenen Blickwinkel sprechen wir in unserem Projekttitel auch metaphorisch von einem “kaleidoskopischen Muster des Protests”, das mithilfe unserer Forschung sichtbar werden soll. Zu diesem Zweck werden wir die visuellen sowie textuellen (Selbst-)Repräsentationen der Protestkulturen sowohl quantitativ als auch qualitativ untersuchen und dabei Methoden aus den Computerwissenschaften, insbesondere automatische Symbolerkennung mittels künstlicher neuronaler Netze, mit der Multimodalen Diskursanalyse aus der Linguistik kombinieren. Ziel unseres Projekts ist einerseits die Analyse einer großen Datenmenge, um die visuelle und textuelle (Selbst-)Repräsentationen von Protestkulturen in Osteuropa zu erforschen und herauszufinden, wie Bilder und Texte in verschiedenen Medien und Kontexten (wieder)verwendet werden. Andererseits soll unser Projekt auch dazu dienen, große Mengen von Daten zu sammeln, um sie für die zukünftige wissenschaftliche Forschung zu erhalten.


Beyond the Item. Biographies and Itineraries of Cultural Heritage Objects in Museums and beyond

Viola Winkler (Naturhistorisches Museum Wien, NHM)
Roland Filzwieser (Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion & Virtuelle Archäologie, LBI ArchPro)

Das bITEM Projekt dreht sich um museale Objekte von großer Signifikanz für das kulturelle Erbe und um ihre Biographien, die aus einer holistischen Perspektive digitalisiert werden sollen. Dabei sollen nicht nur digitale Zwillinge (z.B. 3D Scans) der Objekte entstehen, sondern ganzheitliche Darstellungen der Objekte in Kombination mit ihrer Geschichte.

Uns liegen heute die technischen Voraussetzungen vor, physische Dinge detailliert in digitaler Form abzubilden und neben ihren physischen Charakteristika auch ihre “Lebensgeschichte” und die darin involvierten Akteure, Ereignisse und Veränderungen als Netzwerke zu dokumentieren.

bITEM, angesiedelt am Naturhistorischen Museum Wien und dem Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie in Kooperation mit dem Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage vereint dabei ein multidisziplinäres Team aus Archäolog*innen, Computerwissenschaftler*innen, Biolog*innen, Erdwissenschaftler*innen, Historiker*innen und deren fokussierte Expertise um verschiedene methodische, konzeptionelle und technologische Rahmenbedingungen zu kombinieren. Dies ermöglicht erstmals, herausragende Museumsobjekte des NHM unterschiedlicher Herkunft (Artefakte, Biofakte, Geofakte - z.B. Die Venus von Willendorf wie auch, neben anderen, die einzigartigen Skelette der ausgestorbenen Moas und Dodos) und deren Biographien digital zu analysieren, zu dokumentieren, darzustellen, zu visualisieren und zu präsentieren.

bITEM wird "Objektbiographien" und "Akteur-Netzwerk-Theorie" kombinieren, um die Biographien der Objekte digital als Netzwerke innerhalb des CIDOC-CRM abzubilden, basierend auf dem technologischen Framework des OpenAtlas-Systems.

Zahlreiche detaillierte virtuelle Darstellungen (3D-Scans, CT-Scans) werden zusammen mit wissenschaftlichen Analysen der physikalischen Eigenschaften der Objekte erstellt, um die Objekte innerhalb dieser Netzwerke möglichst ganzheitlich virtuell darzustellen.

Ihre "Biographien" werden erforscht und in dieses Netzwerk eingebettet, das Verbindungen zu anderen materiellen Dingen, Akteur*innen, Ereignissen, Orten und Konzepten vom Beginn der Existenz des Objekts bis heute umfasst.

Durch die Verwendung etablierter Vokabulare und verlinkter offener Daten werden diese Netzwerke auch in das semantische Web eingebettet.

Neben der Aufnahme und Analyse der Daten und Objektbiographien wird vom Team eine öffentliche Webanwendung entwickelt, welche die Netzwerke der Objekte interaktiv darstellen, visualisieren und explorieren lassen wird.

Sie wird als Open Data Portal dienen, um die Objekte, ihre Geschichten, ihre Netzwerke und ihr "Leben" von der Antike bis heute zu präsentieren.


Cognitive Plausibility of Deep Learning Language Models

Weyers, Ivonne MA (Universität Wien, Dept. of Linguistics)
Erion Çano (Universität Wien, Dept. of European and Comparative Literature and Language Studies)

Die menschliche Sprachverarbeitung ist ein hochkomplexer Vorgang, den wir in seiner Gesamtheit noch nicht verstanden haben. Die psycho- und neurolinguistische Forschung der letzten Jahrzehnte hat sich darauf konzentriert, die Art und die Reihenfolge der zugrundeliegenden kognitiven Mechanismen zu ermitteln, die an diesem Vorgang beteiligt sind, z.B. lexikalische Aktivierung oder syntaktische Verarbeitung. Diese Untersuchungen basierten hauptsächlich auf Hypothesen, die von theoretischen linguistischen Sprachmodellen geliefert wurden.

Gleichzeitig gab es bemerkenswerte Fortschritte im Forschungsbereich Natural Language Processing (NLP) basierend auf Deep Learning Sprachmodellen. Aus dem innovativen “Pre-Training-Fine-Tuning” Ansatz gingen neuronale Sprachmodelle hervor, die zuerst generalisierbares linguistisches Wissen erwerben, welches sehr leicht für verschiedene NLP-Aufgaben optimiert (“fine-tuned”) werden kann, vom strukturellen Part-of-Speech-Tagging bis hin zum semantischen Verständnis natürlicher Sprache.

Offen bleibt jedoch, welches linguistische Wissen während des Pre-Trainings erworben und wie genau es genutzt wird. Interessanterweise zeigen diese Sprachmodelle gute Ergebnisse selbst bei anspruchsvollen maschinellen Übersetzungen, sie scheitern allerdings oftmals bei sehr basalen Aufgaben, z.B. beim Erlernen abstrakter struktureller Abhängigkeiten, von denen in der Linguistik angenommen wird, dass sie ein essenzieller Bestandteil der menschlichen Sprachverarbeitung sind. Es scheint, als würden Mensch und Maschine bei der Sprachverarbeitung unterschiedliche Strategien verfolgen: Die Ergebnisse nähern sich an, aber bezüglich der Kernprozesse sind NLP Modelle psycholinguistisch nicht plausibel. Tatsächlich werden Deep Learning Sprachmodelle nur selten von modernen Erkenntnissen der experimentellen Linguistik beeinflusst.

Dieses interdisziplinäre Projekt zielt darauf ab, mit einem innovativen, integrativen Forschungsansatz die Stärken der modernen Psycholinguistik und der Deep Learning NLP Forschung zusammenzuführen. Konkret sollen kognitive Mechanismen, die an der menschlichen Sprachverarbeitung beteiligt sind, zuerst identifiziert und anschließend in moderne NLP Modelle integriert werden, um sie menschenähnlicher zu machen. Dies kann entweder durch ein angepasstes Modelltraining oder durch Modifikationen auf der Architekturebene (oder beides) erreicht werden. Wir erwarten uns von diesem Ansatz einerseits neue Sprachmodelle, die in gängigen NLP Benchmark-Tests verbesserte Leistungen gegenüber den Ausgangsmodellen zeigen. Andererseits gehen wir davon aus, dass kognitiv plausiblere Modelle neue Hypothesen für die Linguistik generieren können. Aufbauend auf diesen werden wir psycholinguistische Experimente mit menschlichen Teilnehmenden durchführen, um die Qualität der Vorhersagen unserer Modelle zu untersuchen. Unser integrativer Forschungsansatz hat das Potenzial, innovative Erkenntnisse im Bereich NLP Research und Linguistik zu liefern.


Manorial Networks in the medieval Tyrol: Mapping and Visualisation

Tobias Pamer (Universität Salzburg, Dept. of History)
Elisabeth Gruber-Tokic (Universität Innsbruck, Dept. of Linguistics)

Stellen Sie sich eine digitale Karte des mittelalterlichen Europas vor, auf der Sie einzelne Haushalte heranzoomen und nicht nur deren Standort, sondern auch deren wirtschaftliche Situation nachvollziehen können. Das Projekt ViTA erstellt eine interaktive Karte mit Fokus auf die Familie Starkenberg und Friedrich IV. von Habsburg, die mit historischen Daten verknüpft ist, die zur Beantwortung einer Vielzahl von Fragen herangezogen werden, z. B. zur Veränderung von Siedlungen, Abgaben, wirtschaftlicher Ungleichheit oder landwirtschaftlicher Produktion. Sie gibt Auskunft über die regionale Sprachlandschaft (verschiedene Ortstypen), die Klimageschichte (Veränderungen in den landwirtschaftlichen Strukturen und der Produktion) oder die Machtverhältnisse (Einkommen, grundherrliche Rechte). Das Projekt macht einen ersten Schritt in Richtung einer solchen Karte mithilfe eines Knowledge Graphen (KG) im Hintergrund, indem ein Prototyp einer ausbaufähigen digitalen Infrastruktur zur systematischen Erfassung, Darstellung von Grundbesitz und den damit verbundenen Abgaben aufgebaut und getestet wird. Der Prototyp wird unter Verwendung spätmittelalterlicher Daten aus Tirol erstellt. Die Daten stammen aus dem Zeitraum von 1379 (Vertrag von Neuberg) bis 1426 (Vertreibung der Starkenberg aus Tirol). Folgende Schritte sind geplant: 1) Grundherrschaftliche Grundbücher werden als Primärquellen ausgewählt und digitalisiert. 2) Nach Transkription und semantischer Annotation dieser unveröffentlichten Quellen werden 3) die relevanten Informationen in eine KG übertragen. Diese bilden die Datengrundlage für 4) die interaktive Karte mit Tabellen, Diagrammen und speziellen Kartenebenen. 5) Diese digitale Infrastruktur dient als Prototyp für ein räumlich und zeitlich erweiterbares System, das Informationen für die 6) historische Analyse bereitstellt.


Opening the Southern Jauntal as a Micro-region for Future Archaeology

Dominik Hagmann (Landesmuseum für Kärnten, LMK)
Franziska Reiner (ÖAW, Österreichisches Archäologisches Institut, ÖAI)

IUENNA (OpenIng the soUthern JauNtal as a micro-regioN for future Archaeology) ist ein innovatives Projekt in der archäologischen Mikroregion des Jauntals (Kärnten/Österreich), um die Anwendung digitaler Methoden in der Archäologie in Österreich zu stärken, indem komplexe kulturhistorische Fragestellungen verfolgt, Digital Humanities in der Altertumswissenschaft aktiv mitgestatlet und kulturelles Wissen langfristig gesichert wird. Beteiligt sind das Landesmuseum für Kärnten (LMK), das Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), das Austrian Center for Digital Humanities and Cultural Heritage (ACDH-CH) an der ÖAW, das Bundesdenkmalamt (BDA) und die archäologische Firma ARDIG.

IUENNA verfolgt einen umfassenden Open-Science-Ansatz anhand des spätantiken „Pilgerzentrums“ des Hemmabergs mit seinen jahrzehntelangen Ausgrabungen und weiteren Fundstellen (Globasnitz/Iuenna, Jaunstein und St. Stefan). IUENNA wird erstmals in Österreich eine herausragende Modellstudie und ein nachhaltiges Langzeitarchiv einer Ausgrabung an einem der wichtigsten spätantiken Fundplätze des südostalpinen Raumes und seiner Umgebung zur Verfügung stellen. Alle verfügbaren archäologischen Forschungsdaten werden digitalisiert, in einem neuartigen, umfassenden und hierarchisch gegliederten Ordnersystem strukturiert und mit Metadaten angereichert, was als Vorbild für zukünftige Projekte der österreichischen Archäologie und darüber hinaus dienen kann. Die Daten werden über das Repositorium ARCHE (A Resource Centre for the HumanitiEs) des ACDH-CH und eine Open-Source-Web-Mapping-Applikation online und frei zugänglich gemacht.

Der Hemmaberg ist zweifelsohne eine der am besten erforschten spätantiken Höhensiedlungen des 4. bis 6. Jh. n. Chr. und für das frühe Christentum im südöstlichen Alpenraum. Der Hemmaberg und seine spätantike Siedlung („Pilgerzentrum“) ist eine weltbekannte Stätte mit 5 frühchristlichen Kirchen, Nebengebäuden und der gotischen Wallfahrtskirche St. Hemma und Dorothea sowie der Rosaliengrotte. Der Hemmaberg ist jedoch nicht für sich allein zu sehen, denn er ist Teil eines viel umfangreicheren Siedlungsgebietes mit Fundstellen aus prähistorischer Zeit bis zum frühen Mittelalter, die die Mikroregion Jauntal mit mehr als 2000 Jahren Kulturgeschichte bilden. Über 100 Jahre Forschungsgeschichte beginnen mit den ersten Untersuchungen zu Beginn des 20. Jh. durch citizen scientists. Ab den späteren 1970er Jahren kam es kontinuierlich zu Aktivitäten des LMK mit dem Schwerpunkt Spätantike im Bereich des Hemmabergs selbst und Globasnitz/Iuenna, einer römischen Siedlung/Straßenstation (mit Resten der römischen Verbindungsstraße Virunum-Celeia), und einem spätantiken Gräberfeld. Weitere nahegelegene Fundstellen sind eine kürzlich entdeckte spätantike (?) „Super-Villa“ bei St. Stefan. Am Jaunstein finden sich zudem archäologische Spuren aus dem frühen Mittelalter.


Sigmund of Tyrol's Court: Prosopographical Database

Markus Debertol (Universität Innsbruck, Institute for Historical Sciences and European Ethnology)
Nadja Krajicek (Tiroler Landesarchiv)

SiCProD ist ein Kooperationsprojekt zwischen der Universität Innsbruck (UIBK), dem Tiroler Landesarchiv (TLA) und dem Austrian Center for Digital Humanities & Cultural Heritage der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ACDH-CH). Ziel ist die Erstellung einer prosopographischen Datenbank über den Hof von (Erz-)Herzog Sigmund von Tirol (r. 1439/1446-1490).

Der Hof Sigmunds ist aus mehreren Gründen für ein solches Projekt geeignet. Das dem Projekt zugrunde liegende Quellencorpus ist klar abgegrenzt und überschaubar, größtenteils gut erschlossen und mehrheitlich im Tiroler Landesarchiv verfügbar. Während etwa für Sigmunds Nachfolger Maximilian I. zahlreiche Studien, insbesondere in den letzten Jahren, publiziert wurden, fehlen diese für diese für Sigmund weitestgehend. Eine umfassende Personenforschung oder gar Netzwerkanalyse zum Tiroler Hof des 15. Jahrhunderts stellt deshalb ein großes Desiderat dar.

Weiters sind die notwendigen Werkzeuge vorhanden, in erster Linie APIS (Austrian Prosopographical Information System), das am ACDH-CH entwickelt wurde. Die für SiCProD notwendigen Anpassungen und Weiterentwicklungen werden in Zukunft auch für andere Projekte zur Verfügung stehen.

Die fertige Datenbank wird es ermöglichen, sowohl die Zusammensetzung des Hofpersonals, der Amtsträger als auch institutionelle Strukturen und Personennetzwerke im Detail nachzuvollziehen. Sie wird auch umfangreiche Möglichkeiten zur Visualisierung des Datenmaterials bieten. Die Datenbank einschließlich der Scans der zugrunde liegenden Archivalien wird online freigegeben. Biografische Angaben wie Lebensdaten, Herkunft, Funktionen, etwa auch Karrierewege von Kanzlern, aber auch von einfachen Hofbediensteten können Historiker und Historikerinnen weltweit bei ihren Forschungen zu verschiedensten Fragestellungen unterstützen.

Um die langfristige Verfügbarkeit und Zugänglichkeit der Daten zu gewährleisten, werden sie in CIDOC CRM serialisiert und in ARCHE (digitales Archivierungssystem des ACDH-CH) eingepflegt.


The Affective Construction of National Temporalities in Austrian Postwar Radio (1945–1955)

Elias Berner (Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien, MDW)
Birgit Haberpeuntner (Universität Wien, Theater-, Film- und Medienwissenschaft)
Stefan Benedik (Haus der Geschichte Österreich, hdgö)

ACONTRA ist ein Kooperationsprojekt der Universität für Musik und Darstellende Kunst, der Universität Wien und des Hauses der Geschichte Österreich. Es beschäftigt sich mit der Rolle des Massenmediums Radio im Prozess der Konstruktion von Nationalbewusstsein in den Anfangsjahren der Zweiten Republik. Dabei wird gezielt analysiert, wie Imaginationen und Projektionen der Vergangenheit und Zukunft des Landes affektiv über die klangliche Ebene vermittelt werden, und wie das Medium zur Strukturierung einer neuen, ‘nationalen’ Zeitlichkeit beiträgt. Wichtige Schwerpunkte liegen etwa auf der Untersuchung des Verhältnisses zur offiziell tabuisierten, aber implizit präsenten NS-Vergangenheit, oder Österreichs  ‘westlicher’ Verortung im sich anbahnenden Kalten Krieg. 

Dabei ist zu beachten, dass die Radiosender zwar offiziell unter alliierter Verwaltung standen, sie aber zahlreiche österreichische Akteur*innen beschäftigten. Der ‘Kampf’ um die ideologische Einflussnahme auf das zu dieser Zeit bedeutendste Massenmedium ist von der zeithistorischen Forschung gut aufgearbeitet. Umfassende Analysen der Programminhalte liegen bisher aber kaum vor. Das liegt zunächst daran, dass die Primärquellen gar nicht oder nur sehr schlecht erschlossen waren. Erst in den 1990ern ist die Österreichische Mediathek über einen Nachlass an 215 Originalbänder des ‘amerikanischen’ Senders Rot-Weiß-Rot gekommen, die auch großteils digitalisiert wurden. Im Rahmen der Digitalisierung des ORF Archivs sind außerdem 600 Bänder der russisch kontrollierten RAVAG verfügbar geworden, und weitere 100 Einzelbeiträge finden sich im DokuFunk-Archiv. Die Bestände des ORF Archivs und der Österreichischen Mediathek wurden 2016 in die Liste des UNESCO Weltkulturerbes aufgenommen. 

Jedoch sind diese Bestände höchst fragmentiert und strukturell wie inhaltlich so divers, dass eine Bearbeitbarkeit erst hergestellt werden muss. Mithilfe der im Projekt Telling Sounds entwickelten Annotations-Software LAMA (Linking Annotations for Media Analysis) werden nun anhand einer Linked Open Data und Semantic Web Strategie auf produktionstechnischer wie inhaltlicher Ebene Bezüge zwischen den Dokumenten hergestellt. Das ermöglicht die Aufbereitung des Materials für detaillierte Analysen in Hinblick auf die umrissenen Fragestellungen. Die Quellen, und die neu generierten standardisierten Metadaten, werden aber durch unsere Erschließung und die Verknüpfung mit Authority Files auch für künftige Forschungen produktiv gemacht. 

Schließlich werden in enger Zusammenarbeit zwischen Forscher*innen und Kurator*innen Analyseergebnisse und ausgewählte Quellen einer breiten Öffentlichkeit im Haus der Geschichte Österreich präsentiert. Geplant ist eine physische Ausstellung am Almá-Rose-Plateau in der Neuen Burg am Wiener Heldenplatz sowie eine digitale Ausstellung, die beide Ende 2023 zum Auftakt des Jubiläums zu 100 Jahre Radio in Österreich eröffnet werden.


Bibliotheca Eugeniana Digital

Simon Mayer (Österreichische Nationalbibliothek, ÖNB)
Florian Windhager (Donauuniversität Krems, Dept. for Knowledge & Communication Management)

Ziel des Projekts Bibliotheca Eugeniana Digital (BED) ist die digitale Rekonstruktion und visuelle Darstellung von Prinz Eugens Büchersammlung (UNESCO “Memory of Austria”), einer der berühmtesten Sammlungen der Barockzeit. Seit 1738 war die Sammlung Teil der habsburgischen Hofbibliothek, heute der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB). Jedes Jahr wird tausenden Besucher*innen vermittelt, dass die Sammlung im Mitteloval des Prunksaals der ÖNB bewundert werden könne. Doch das ist nicht korrekt. Bis heute konnten weder die exakte Zusammensetzung, noch ihr Umfang, noch die Standorte der gedruckten Bücher in den Sammlungen der ÖNB analysiert werden, da dieses Unterfangen zu umfangreich und komplex für traditionelle Herangehensweisen war. Die Digitalisierung von Quellen in Kombination mit neuen digitalen Methoden ermöglicht neue Zugänge für die Erschließung großer Kultursammlungen wie der Bibliotheca Eugeniana.

Das Projekt wird Werkzeuge und Methoden aus den Digitalen Geisteswissenschaften und den Data Sciences für eine systematische digitale Rekonstruktion und visuelle Exploration dieser Bibliothek nutzen, um ihre Zusammensetzung und Geschichte anhand unterschiedlicher Quellen zu untersuchen.

Die meisten Bücher der Bibliotheca Eugeniana wurden im Rahmen des Projekts “Austrian Books Online” (ABO) digitalisiert. BED wird mittels Maschinellem Lernen (ML) visuelle Merkmale von Supralibros-Einbänden erkennen. Zusätzlich werden der historische handschriftliche Katalog der Eugeniana sowie Archivalien zur Transformation dieser Bibliothek im 19. Jahrhundert mittels ML für Handwritten Text Recognition digital erschlossen und in der Infrastruktur für Digitale Editionen der ÖNB publiziert.

Sämtliche Daten werden mit den Metadaten aus dem öffentlichen Katalog der ÖNB zusammengeführt. Titel aus der Digitalen Edition und Volltexte aus ABO werden abermals mittels ML und Natural Language Processing Algorithmen in Sachgruppen klassifiziert. Die Zuschreibung zu Sachgruppen wird neue Einsichten in die interne Struktur der Bibliothek und deren Korrelation mit dem Farbsystem der Supralibros-Einbände ermöglichen.

Die Universität für Weiterbildung Krems (UWK) wird aus den vielschichtigen historischen Bestandsdaten multiple koordinierte Visualisierungen entwickeln, mit denen die Struktur, Transformation und Verortung der Bibliotheca Eugeniana-Sammlung analysiert und erforscht werden kann. Zur öffentlichen Kommunikation der Projektergebnisse werden komplementäre narrative Visualisierungen entwickelt. BED wird die Ergebnisse in unterschiedlichen Formaten für Expert*innen und eine allgemeine Öffentlichkeit veröffentlichen. Alle im Rahmen des Projekts erstellten Daten werden über die ÖNB Labs zugänglich gemacht und gemäß FAIR-Prinzipien mit europäischen Forschungsinfrastrukturen geteilt. Als Kooperation einer Kulturerbeeinrichtung mit einer Forschungseinrichtung trägt BED zur Strategie DH Austria 2021 bei, indem es den Wissenstransfer zwischen beiden Sektoren fördert.

Kontakt

Österreichische Akademie der Wissenschaften
Forschungsförderung – Nationale und Internationale Programme
Dr. Alexander Nagler
alexander.nagler(at)oeaw.ac.at
T +43 1 51581-1272

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