Projekt

Alois Riehl und der Philosophische Kritizismus

Die Frage, wie wir über eine bewusstseinsunabhängige Wirklichkeit Wissen erlangen können, wird in der gegenwärtigen Philosophie intensiv und vielseitig diskutiert. Dabei ist der Beitrag A. Riehls bisher fast gänzlich unberücksichtigt geblieben, obwohl dieser am Ende des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts in seinem dreibändigen Werk Der Philosophische Kritizismus eine elaborierte Philosophie des Realismus entwirft, in der er sowohl einen Realismus raumzeitlicher Gegenstände, einen mathematischen Realismus und einen wissenschaftlichen Realismus systematisch verbindet.

Um den Philosophischen Kritizismus wieder zu einem immanenten Bestandteil der aktuellen Forschung zu machen und gleichzeitig einer größeren Leserschaft den Zugang zu erleichtern, widmet sich das Zentrum für Wissenschaftsgeschichte der Universität Graz in Kooperation mit dem von der DFG geförderten Projekt Alois Riehl’s Critical Realism. Spatial and Temporal Foundations of Science (Projektnummer 521640504) an der Ruhr Universität Bochum in eingehenden Studien diesem epochemachenden Werk und seinen vielfältigen Verflechtungen mit den naturwissenschaftlichen Entwicklungen am Ende des 19. Jahrhunderts.

Dabei wird das dreibändige Hauptwerk erstens in der Reihe Philosophische Bibliothek des Meiner-Verlags neu ediert: Band 1 ist bereits 2023 erscheinen, gefolgt von Band 2.1 im Jahr 2024 und von Band 2.2 im Jahr 2025. Bis dato unveröffentlichte historische Quellen, wie der Briefverkehr mit Heinrich Rickert, Friedrich Jodl, Bartholomäus von Carneri, Hugo Münsterberg, Wilhelm Wundt, Eduard Spranger, Ernst Mach und Hans Vaihinger sowie die Aktenmaterialien der Universitäten Graz, Wien, Freiburg, Halle, Kiel und Berlin, werden dabei einen historisch-kritischen Zugang zum Text ermöglichen. Diese Studienausgabe wird eine profunde Grundlage für die weiteren Studien zu Riehls Philosophie bilden.

In der Forschung wurde bis heute zu wenig berücksichtigt, dass Riehls Realismus neben den philosophischen Konzepten von R. Hönigswald und R. Reininger eine durchaus eigenständige Tradition des österreichischen Neukantianismus bildet, die zudem für die Entstehung des logischen Positivismus eine zentrale Rolle spielt. Um diese Forschungslücke zu schließen, erschien zweitens 2021 im Verlag de Gruyter (Reihe Meinong Studien) eine Anthologie mit dem Titel Kant in Österreich. Alois Riehl und der Weg zum kritischen Realismus.

Drittens werden im Herbst 2024, in dem sich der Todestag Riehls zum 100. Mal jährt, ein Symposium und ein internationaler Workshop organisiert. Das Symposium findet an der URANIA in Graz statt und hat den Titel: Alois Riehl und die „österreichische Philosophie“. Symposion zum 100. Todestag eines Grazer Philosophen. Der Workshop Wissenschaftliche Philosophie. Transformationen vom 18. ins 19. Jahrhundert findet am 13. und 14. Dezember an der ÖAW statt.

Riehl-Projekt
Bibliografie (Auswahl)