07.02.2024

Alles Walzer? Wiener Ballkultur zur Zeit der Habsburger

Die Wiener Ballsaison ist in vollem Gange. Egal ob Wissenschaftsball oder Opernball, glamouröse Tanzveranstaltungen sind aus der Hauptstadt der Bälle nicht wegzudenken. Aber war das schon immer so? ÖAW-Historikerin Waltraud Schütz erzählt im Interview, wie man in Wien schon zur Zeit der Habsburger feierte und was damals für einen gelungenen Ballabend nicht fehlen durfte.

Wien entwickelt sich im 19. Jahrhundert zur Hauptstadt der Bälle. © Wikicommons

Reifröcke, Fracks und Wiener Walzer: Kaum ein Bild prägt die Vorstellungen der österreichischen Hauptstadt so sehr wie die Wiener Ballkultur – damals und heute. Darunter mischen sich auch Klischees und Konservatismus. Denn neben Glanz und Glamour waren Bälle schon immer politische Ereignisse. Wie die Habsburger die Bühne der Bälle nutzten, um Politik zu machen, was zu einem gelungenen Ball dazugehörte und welche Traditionen sich bis heute erhalten haben, berichtet Historikerin Waltraud Schütz vom Institut für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Interview.

Seit wann gilt Wien als Hauptstadt der Bälle?

Waltraud Schütz: Wien wird im 19. Jahrhundert zur Hauptstadt der Bälle. 1815 findet der Wiener Kongress statt, bei dem Europa nach den napoleonischen Kriegen neu geordnet wurde. Diplomaten und Vertreter der europäischen Großmächte sowie kleinerer Staaten und Fürstentümer kamen in dieser Zeit nach Wien, um über Gebiete zu verhandeln und ein neues Machtgleichgewicht herzustellen. Das ging mit vielen Veranstaltungen und Bällen einher. Dort wurde nicht nur getanzt, sondern auch Politik gemacht.

Faschingszeit war Ballzeit

In welchem Zeitraum fanden Bälle damals statt?

Schütz: Die Ballsaison fand während des Karnevals statt, die meisten zwischen Jänner und Aschermittwoch. Leider kam es aber immer wieder dazu, dass wegen Todesfällen in der kaiserlichen Familie Bälle abgesagt wurden. Im Februar 1836 schreibt zum Beispiel die Gräfin Julie Hoyos an ihre Schwester Caroline: „Wir haben wegen der Schwester der Kaiserin bis 1. März Trauer, die ersten 18 Tage ganz schwarz. Man fürchtete daß die Bälle abgesagt würden, was zum Glück nicht geschah, […].“

Welchen Dresscode gab’s zu beachten?

Für junge adelige Frauen war es sehr schamhaft zum Friseur zu gehen. Lieber ließen sie sich zuhause von einer Kammerjungfer frisieren.

Schütz: Männer kamen im Frack und Frauen trugen lange Ballkleider. Sehr gefragt waren während des Biedermeier Spitze und Rüschen, wovon Unternehmer:innen, wie die Spitzenfabrikantin Elise Reichmann in Wien, während der Ballsaison sehr profitierten. Modern waren auch die sogenannten Korkenzieherlocken, wie sie z.B. der Friseur Theodor Zeipelt am Graben anbot. Für junge adelige Frauen war es allerdings sehr schamhaft zum Friseur zu gehen. Lieber ließen sie sich zuhause von einer Kammerjungfer für den Ball frisieren. Wenn das Geld knapp war, wurden in Vorbereitung auf einen Ball auch Kleider umgenäht oder Hüte neu aufgeputzt.

Gab es typische Speisen, die man in der Ballsaison gegessen hat?

Schütz: In der Zeit des Karnevals sind die Krapfenbäckerinnen besonders gefragt, also selbstständige Unternehmerinnen, die Krapfen verkauften. Eine von ihnen, Marianna Michlin, schaltete 25 Jahre lang Anzeigen für Krapfen in der Wiener Zeitung und schrieb: „Die Sorten sind von 1 bis 7 kr, die Füll kann man sich nach Belieben selbst wählen; auch werden die sogenannten Kaiser- oder Tafelkrapfen vom besten Teig gemacht.“ Krapfen waren also während der Ballsaison sehr beliebt.

Oh! Scandalum

Zentral für die Ballkultur ist heute der Wiener Walzer. War das schon immer so?

Schütz: Der Wiener Walzer wurde im 19. Jahrhundert populär, wurde zu Beginn allerdings von manchen Beobachtern als unmoralisch bezeichnet. Vor allem in hochadeligen Kreisen waren die Grenzen der Schamhaftigkeit viel wichtiger als in anderen Kreisen. Dass eine junge Frau Walzer mit einem Mann tanzte, den sie nicht kannte, war deshalb eher unwahrscheinlich. Beliebt war stattdessen die Quadrille, bei der man zwar auch Körperkontakt hatte, aber wesentlich kontrollierter. Trotzdem hatten junge adelige Frauen auf Bällen durchaus Spaß, wie Gräfin Julie Hoyos 1836 an ihre Schwester Caroline schrieb: „Gestern war ich zu guter Letzt den ganzen Tag auf dem Ball, der sehr schön war, ich unterhielt mich auch sehr gut. Wir tanzten aber oh! scandalum bis 2 Uhr früh!“

Der Wiener Walzer wurde zu Beginn von manchen Beobachtern als unmoralisch bezeichnet.

Gibt es Traditionen der Wiener Ballkultur, die sich bis heute erhalten haben?

Schütz: Die Damenspende gibt es auch heute noch. Die hat sich allerdings aus den kunstvollen Verpackungen von sogenannten Tanzkarten entwickelt. Ab den 1830er und 1840er Jahren trugen Damen Karten bei sich, auf der die Zahl und Art der Tänze vorgeschrieben war und Männer sich eintragen konnten. Das war nicht nur eine nette Erinnerung an den Ballabend, sondern so wurde mitunter auch die Anzahl der Walzer limitiert, die eine Frau tanzen durfte. Das zeigt, dass das sittliche Verhalten junger Frauen und Männer damals stark überwacht wurde.

 

AUF EINEN BLICK

Waltraud Schütz studierte Geschichte an der Universität Wien und am University College Dublin. Sie promovierte am European University Institute (Florenz). Schütz forschte am Institut für Geschichte der Universität Wien ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für die Erforschung des Habsburgerreiches und des Balkanraumes der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).