28.07.2023 | Membrantransport

Effektive Hemmung des Laktat-Transports

In erkrankten Zellen sammelt sich in Folge eines veränderten Energiestoffwechsels oftmals zu viel Laktat an. Bei der Anreicherung spielen Transportproteine eine wichtige Rolle, die sich allerdings gegenseitig vertreten können und deshalb als Therapieziele bislang schwer fassbar waren. Nun haben ÖAW-Forscher:innen ein Testsystem zur gezielten Hemmung zweier zentraler Laktattransporter entwickelt und die Methode im Fachjournal Cell Chemical Biology publiziert.

Studienleiter Giulio Superti-Furga und Studienerstautor Vojtech Dvorak © Franzi Kreis, CeMM

Laktat entsteht bei der Energiegewinnung im Körper, wenn das Gewebe nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt ist. Unter solchen Bedingungen geben die Zellen Laktat als Stoffwechselendprodukt ab, das aber von benachbarten Zellen aufgenommen und als Energiequelle genutzt werden kann. Dies wurde beispielsweise in der Skelettmuskulatur, im Gehirn, in Hodenzellen oder auch in der Tumormikroumgebung beobachtet. Da die negativen Folgen von Laktat in erkranktem Gewebe bekannt sind, haben Forscher:innen am CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ihre Aufmerksamkeit auf den ausgeklügelten Transport des Laktats gelenkt, um den Weg für eine therapeutische Hemmung zu ebnen.

SCHWER FASSBARE TRANSPORTPROTEINE

Laktat wird vorwiegend durch Proteine, die durch Gene der SLC16 Familie kodiert sind, durch die Zellmembranen transportiert. Von den vier bedeutenden Laktat-Transportern nehmen die Gene SLC16A1 (MCT1) und SLC16A3 (MCT4) eine zentrale Rolle ein. Trotz – oder gerade wegen – ihrer physiologischen Wichtigkeit, konnten diese „Solute Carrier Transporter (SLCs)“ pharmakologisch noch kaum adressiert werden, vor allem deshalb, weil sie einander sehr ähnlich sind und einander gegenseitig in ihrer Funktion vertreten können. Unter der Leitung von Giulio Superti-Furga, Wissenschaftlicher Direktor am CeMM und Professor für Medizinische Systembiologie an der Medizinischen Universität Wien, gelang es, eine Test-Kaskade zur selektiven Hemmung des Laktat-Transports zu entwickeln.

Wir mussten lernen, mit den funktionellen Redundanzen zwischen den Transportern umzugehen.

„Seit mehr als einem Jahrhundert wissen wir, dass die Laktatkonzentration in Tumoren extreme Werte erreichen kann. Aber erst in letzter Zeit beginnen wir zu verstehen, welche Folgen dies hat“, erklärt Superti-Furga.  Beispielsweise seien die hohen Laktatwerte für die Unterdrückung von Immunzellen in Tumoren bzw. für die Entwicklung von Resistenzen gegen medikamentöse Behandlungen verantwortlich. Und weil die Laktattransporter SLC16A1 und SLC16A3 dabei eine Schlüsselrolle spielen, gelten sie als vielversprechende Angriffspunkte für Medikamente, so der Studienleiter. Und Erstautor Vojtech Dvorak, PhD-Student von Superti-Furga erläutert: „Wir mussten lernen, mit den funktionellen Redundanzen zwischen den Transportern umzugehen. Erfolge mit potentiellen Wirkstoffkandidaten konnten wir schließlich erzielen, indem wir mehrere Zelllinien erzeugten, die von einzelnen Laktattransportern abhängig sind, und mit denen wir in der Folge die Suche nach hochselektiven Medikamenten beginnen konnten."

EIN VIELVERSPRECHENDES TESTSYSTEM

Die Logik des PARADISO-Assay-Systems ist allgemein anwendbar und hilft dabei, neue therapeutische Ansatzpunkte zu identifizieren."

In der Studie, die im Fachjournal Cell Chemical Biology veröffentlicht wurde, beschreiben die Wissenschaftler:innen die Entwicklung des Testsystems „PARADISO - Paralog-dependent isogenic cell assay“, das sich zur Entwicklung eines hochselektiven chemischen Wirkstoff mit der Bezeichnung „slCeMM1 für SLC16A3“ eignet. Studienleiter Superti-Furga ist überzeugt davon, dass diese Methode spezifischer zellbasierter Assays nicht nur im Blick auf die SLCs  als  Arzneimittelziele vielversprechend ist: „Die Logik des PARADISO-Assay-Systems ist allgemein anwendbar und hilft dabei, neue therapeutische Ansatzpunkte zu identifizieren."

 

AUF EINEN BLICK

Publikation:

Vojtech Dvorak, Andrea Casiraghi, Claire Colas, Anna Koren, Tatjana Tomek, Fabian Offensperger, Andrea Rukavina, Gary Tin, Elisa Hahn, Sarah Dobner, Fabian Frommelt, Andras Boeszoermenyi, Viktoriia Bernada, J. Thomas Hannich, Gerhard F. Ecker, Georg E. Winter, Stefan Kubicek, Giulio Superti-Furga:
Paralog-dependent isogenic cell assay cascade generates highly selective SLC16A3 inhibitors.Cell Chemical Biology (2023). DOI: 10.1016/j.chembiol.2023.06.029