31.10.2023

Frauen in der Antike: Herrscherinnen oder Rechtlose?

Mächtige Königinnen und rechtlose Sklavinnen: Die Stellung von Frauen in der antiken Welt könnte – von Ägypten bis Griechenland – nicht unterschiedlicher sein. Ägyptologe Uroš Matić erklärt, welche Möglichkeiten Frauen in der Antike hatten, welche Rolle die gesellschaftliche Klasse für das Leben von Frauen spielte und welche Lehren wir aus der Geschichte ziehen können.

Das Leben von Frauen in der Antike könnte – je nach Herkunft und Klasse– nicht unterschiedlicher sein. © Canva

Ob in Rom, Griechenland oder Ägypten – in den antiken Kulturen lebte es sich für Frauen nicht überall gleich.  Während im alten Ägypten schon vor 5000 Jahren mächtige Frauen herrschten, wie neue Ausgrabungen im Grab der Königin Meret-Neith mit Beteiligung der Universität Wien zeigen, verwehrte man ihren Schwestern im antiken Griechenland, das als Wiege der Demokratie gilt, sogar das Wahlrecht. Uroš Matić beschäftigt sich am Österreichischen Archäologischen Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) mit Genderarchäologie und Fragen rund um Geschlecht und Sexualität in prähistorischen und antiken Gesellschaften.

Von Dienerinnen und Königinnen

Welche Möglichkeiten hatten Frauen in der Antike?

Uroš Matić: Es gibt in der Antike nicht „die“ Frau, genauso wenig wie es „den“ Mann gab. Männer und Frauen konnten beispielsweise Sklaven oder Sklavinnen sein, Diener oder Dienerinnen, Könige oder Königinnen und so weiter. Personen unterschiedlichen Geschlechts hatten auch unterschiedlichen Status, Klasse und Ethnizität, die ihre Lebensrealitäten und Möglichkeiten prägten.

Altägyptische Frauen hatten ein Recht auf Besitz, sie konnten sich scheiden lassen und nach der Scheidung ihren Besitz oder ihr Kapital behalten.

Wenn wir uns das Alte Ägypten ansehen: Was wissen wir über die Rechte von Frauen, je nach gesellschaftlichem Status?
Mati
ć: Frauen waren in dieser patriarchalen Kultur generell Männern untergeordnet. Allerdings bedeutet das nicht, dass die altägyptischen Frauen keine Rechte hatten. Sie hatten ein Recht auf Besitz, sie konnten sich scheiden lassen und nach der Scheidung ihren Besitz oder ihr Kapital behalten. Insofern war diese Kultur zwar streng patriarchal, aber nicht so streng wie andere patriarchale Kulturen. Alle diese Rechte, die die altägyptischen Frauen hatten, hatten andere Frauen in der antiken Welt oft nicht.

Frauen in der Politik 

Wie sah es mit der politischen Teilhabe aus?

Matić: In Ägypten konnten die Frauen regieren und zwar nicht nur als Ehefrauen des Pharaos. Man nennt die Ehefrau des Pharaos in der Ägyptologie „die große Gemahlin des Königs“. Diese Ehefrau des Königs war entscheidend für seine Kultrolle in der Gesellschaft. Sie hat die Regierung durch ihre femininen Aspekte ergänzt. Es gibt auch mehrere Beispiele im Laufe der Geschichte Ägyptens, wo Frauen nicht nur Ehefrauen des Königs waren, sondern die Rolle des Pharaos übernommen und dann als Herrscherinnen über das Land regiert haben (zum Beispiel Hatschepsut in der 18. Dynastie).

Die Frauen waren aus dem politischen Leben in Rom und Griechenland ausgeschlossen.

Inwiefern unterscheidet sich das antike Ägypten von Rom und Griechenland?

Matić: Die Frauen waren aus dem politischen Leben in Rom und Griechenland ausgeschlossen, zumindest im offiziellen Diskurs. In Athen im fünften Jahrhundert vor Christus oder im republikanischen Rom hatten Frauen beispielsweise kein Wahlrecht. Das heißt aber immer noch nicht, dass sie keine subversive Macht hatten. Sie konnten trotzdem hinter den Kulissen ihre Ideen einbringen.

Frauenrechte im Wandel der Zeit

Wie haben sich die Möglichkeiten von Frauen in der Antike im Lauf der Zeit verändert?

Matić: Nachdem Ägypten eine römische Provinz wurde, konnten Frauen dort nicht mehr regieren. Kleopatra VII. Philopator war deshalb auch die letzte Herrscherin Ägyptens, weil männliche Imperatoren über das römische Imperium regierten. Das war eine große Veränderung. Für die Frauen der „lower classes“ machte es allerdings keinen großen Unterschied, wer an der Regierung war. Sie hatten ohnehin kein gutes Leben, was wir von der Analyse von Skeletten der bestatteten Personen im Alten Ägypten wissen.

Patriarchale Kulturen der Antike und der Gegenwart geben Frauen und Männern nicht die gleichen Möglichkeiten.

Was können wir von diesen Beispielen über unser Heute lernen?

Matić: Patriarchale Kulturen der Antike und der Gegenwart geben Frauen und Männern nicht die gleichen Möglichkeiten. Da haben wir uns nicht wirklich weiterentwickelt. Deswegen ist es wichtig, die Geschichte des Patriarchats immer wieder aufzugreifen und zu kommunizieren, mit dem Ziel zu zeigen, dass die Unterdrückung von Frauen nicht natürlich ist. Wir haben es erfunden und können es deshalb auch neu erfinden. Und zwar so, dass wir aus den Fehlern der vergangenen Kultur lernen, für einer Gesellschaft, die uns allen besser passt. 

© Koch Michaela

 

Uroš Matić studierte Archäologie an der Universität Belgrad/Serbien und promovierte in Ägyptologie an der Universität Münster. Seit 2012 war er Mitarbeiter an der Grabung in Tell el-Dab’a/Ägypten, seit 2017 an der Grabung in Kom Ombo/Ägypten. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Außenstelle Kairo des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).