16.08.2023 | Proteinregulierung

Protein-Hemmung als Therapieansatz

Das Protein SMNDC1 ist am Finalisierungsprozess von Messenger-RNA beteiligt und kommt in dieser Funktion in nahezu jeder Zelle vor. Forschende an der ÖAW haben nun geklärt, wo genau es lokalisiert ist und wie man seine Funktion in bestimmten Zellen gezielt hemmen kann. Die Studie, die ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu Therapien gegen Diabetes oder auch Krebs ist, wurde in Nature Communications publiziert.

Lennart Endert, Erstautor, mit Studienleiter Stefan Kubicek, © Anna Yuwen, CeMM

SMNDC1 bezeichnet ein Gen sowie ein durch dieses Gen codiertes Protein, das als Splicing-Faktor in den Prozess involviert ist, bei dem RNA in die finale Messenger-RNA umgebaut wird. Somit sitzt das Protein an jener entscheidenden Stelle, an der genetische Information in den Bauplan der Zelle übersetzt wird. Damit beeinflusst es die Entstehung vieler weiterer Proteine. An dieser Schaltstelle setzt die Studie von Lennart Ender, PhD Student in Stefan Kubiceks Labor am CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), an. Den Studienautor:innen ist es gelungen, den genauen Ort des SMNDC1-Proteins im Zellkern zu lokalisieren und einen Hemmstoff zu identifizieren, der das Potenzial für therapeutische Anwendungen an SMNDC1 eröffnet. Die Studie wurde in Nature Communications veröffentlicht.

Die Studie baut auf Arbeiten Kubiceks am CeMM auf, die gezeigt haben, dass das Ausschalten von SMNDC1 die Alphazellen in den Langerhans-Inseln zur Insulinproduktion anregen kann. Das könnte ein therapeutisches Ziel für die Behandlung von Diabetes darstellen, so der Ausgangspunkt der aktuellen Studie.

DIE LOKALISIERUNG VON SMNDC1

"Unsere Studie hat gezeigt, dass SMNDC1 spezifisch in kleinen Kompartimenten im Zellkern vorkommt, die aufgrund ihres gesprenkelten Aussehens als 'Kernflecken' bezeichnet werden", erklärt Lennart Enders.

Unsere Studie hat gezeigt, dass SMNDC1 spezifisch in kleinen Kompartimenten im Zellkern vorkommt.

Diese kleinen Tröpfchen – sie entstehen durch Phasentrennung ohne Membran – enthalten neben SMNDC1 weitere Proteine – wahrscheinlich mit ähnlichen Funktionen im Spleißprozess. Vor dem Hintergrund, dass SMND1 bereits mit einer Vielzahl von Krankheiten wie Leberkrebs und Diabetes in Verbindung gebracht wurde, suchten Enders und seine Kolleg:innen nach der erfolgreichen Lokalisierung nach einem spezifischen Hemmstoff.

DIE SPEZIFISCHE HEMMUNG VON SMNDC1

Durch ein umfassendes Screening von etwa 90.000 chemischen Verbindungen in Zusammenarbeit mit Marton Siklos, einem Chemiker in Kubiceks Labor, wurden Schlüsselmoleküle als Inhibitoren identifiziert und anschließend in ihrer Molekularstruktur verbessert, um eine bessere und spezifischere Bindung an SMNDC1 zu gewährleisten. Gemeinsam mit Kolleg:innen an der TU München konnte schließlich mittels Kernspinresonanz geklärt werden, wie der entwickelte Inhibitor an die SMNDC1-Proteindomäne bindet.

Im Zusammenhang mit Diabetes und Krebs sehen wir in der gezielten SMNDC1-Hemmungein ein therapeutisches Potenzial.

"SMNDC1 ist so wichtig, sodass sein vollständiger Verlust die meisten Zelltypen in ihrer Lebensfähigkeit beeinträchtigt. Im Zusammenhang mit Diabetes und Krebs aber eröffnet gerade das ein therapeutisches Potenzial", erklärt Forschungsgruppenleiter Kubicek. Mit der Lokalisation und einer spezifischen Hemmbarkeit steht nun ein neues Werkzeug zur Verfügung, um pathogene Prozesse via SMNDC1 zu beeinflussen. Die neuen Erkenntnisse motivieren das Team das therapeutische Potenzial von SMNDC1 weiter zu untersuchen.

 

AUF EINEN BLICK

Publikation:

Lennart Enders, Marton Siklos, Jan Borggräfe, Stefan Gaussmann, Anna Koren, Monika Malik, Tatjana Tomek, Michael Schuster, Jirf Reinis, Elisa Hahn, Andrea Rukavina, Andreas Reicher, Tamara Casteels, Christoph Bock, Georg E. Winter, J. Thomas Hannich, Michael Sattler, Stefan Kubicek: Pharmacological perturbation of the phase-separating protein SMNDCl. Nature Communications, 16. August 2023, DOI: 10.1038/s41467-023-40124-0.