27.10.2023 | Supernova

Sternenstaub aus kosmischen Katastrophen

Wenn Sterne sterben, geschieht das oft mit einem gigantischen Knall, der ihr Innerstes ins Weltall schleudert. Die Astrophysikerin Jenny Feige jagt diesen Überresten hinterher, um daraus die jüngste Geschichte unseres Sonnensystems zu rekonstruieren. Bei einem Vortrag an der ÖAW stellte sie ihre aktuellsten Erkenntnisse vor.

Bei einer Supernova explodiert ein Stern. Der dabei ins All geschleuderte Sternenstaub ist sogar noch auf der weit entfernten Erde nachweisbar. © Adobe Stock

Nichts hält ewig – das gilt selbst für Sterne. Die riesigen Plasmakugeln durchlaufen je nach ihrer Größe verschiedene Lebensstadien und enden entweder als rote Riesen und weiße Zwerge, oder es zerreißt sie in den gewaltigsten Explosionen, die es im Universum gibt: Supernovae. Damit einer der strahlenden Himmelskörper auf solch spektakuläre Weise endet, muss er mehr als achtmal so viel Masse besitzen wie unsere Sonne.

Vor seinem Tod presst seine enorme Schwerkraft die Atome in seinem Kern zu neuen Elementen zusammen, aus Wasserstoff und Helium wird dabei unter anderem auch Eisen. Auf dieses Element hat es Jenny Feige von der TU Berlin abgesehen, mit hochmodernen Analysemethoden kann sie irdisches von stellarem Eisen unterscheiden und damit Jahrmillionen in die Vergangenheit blicken. Feige war an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) beim Symposium „Katastrophen in der Erdgeschichte“ der ÖAW-Kommission für Geowissenschaften zu Gast.

Tödliche Massenschleuder

Im Weltall kommt es ständig zu Supernovae. Welche Auswirkungen hat das auf die Erde?

Jenny Feige: Das kommt auf die Distanz an, in der die Supernova stattfindet. Es gibt die sogenannte Kill-Distanz, das wäre eine Entfernung von 30 Lichtjahren. Wenn sich die Explosion innerhalb dieser Kill-Distanz ereignet, dann hat das katastrophale Folgen, weil dann kriegen wir dieses ausgeschleuderte Material direkt auf der Erde ab. Das würde alles makroskopische Leben vernichten. Aber 30 Lichtjahre sind im kosmischen Maßstab nicht viel, es gibt nicht viele Sterne innerhalb dieses Radius und keiner davon wird in absehbarer Zukunft explodieren – wir müssen uns darüber also keine Sorgen machen.

Wir können die Bahn unseres Sonnensystems durch die Milchstraße rekonstruieren, es fliegt dabei immer wieder durch die Reste von Sternexplosionen.

Wie sieht es denn mit weiter entfernten Sternen aus, merkt man davon etwas, wenn sie explodieren?

Feige: Ja, prinzipiell schon. Es gibt verschiedene Arten von Strahlung, die uns erreichen könnte. Kosmische Strahlung etwa, also eine hochenergetische Teilchenstrahlung, aber auch elektromagnetische Strahlung wie Röntgenstrahlung oder Gammastrahlung. Und die können alle unterschiedliche Konsequenzen haben. Unsere Ozonschicht könnte etwa zerstört werden, wodurch vermehrt UV-Strahlung von der Sonne auf die Erde trifft, was natürlich das Krebsrisiko steigen lässt. Aber auch Klimaveränderungen könnten eine Folge sein, etwa durch vermehrte Wolkenbildung.

Ihre Forschung konzentriert sich dagegen auf den Staub, der bei einer Supernova entsteht – wie kann man sich das vorstellen?

Feige: Tatsächlich landet von diesem Staub auch etwas auf der Erde, aber es ist sehr schwer ihn direkt nachzuweisen. Der hat im All Größen von nur paar Mikrometern, und die verglühen dann auch noch in der Erdatmosphäre. Wir können also keine Körnchen aus Sternenstaub aus dem Erdboden sieben und ihn von irdischem Staub unterscheiden. Aber wir können ihn anhand seiner Isotopensignaturen erkennen.

Strahlende Sternenatome

Enthält der Supernova-Staub andere Atome?

Feige: Ja, er enthält vor allem ein spezielles Eisenisotop, das sogenannte Eisen-60. Das sind Eisenatome, die eine andere Zahl an Neutronen in ihrem Kern haben als gewöhnliches Eisen. Auf der Erde findet man normalerweise nur Eisenkerne mit 28 bis 32 Neutronen, Eisen-60 hat dagegen 34 Neutronen. Ein solches Isotop entsteht hautpsächlich bei einer Supernova. Es ist außerdem radioaktiv und zerfällt mit einer Halbwertszeit von 2,6 Millionen Jahren.

Tatsächlich landet vom Staub der Sternenexplosionen auch etwas auf der Erde.

Wie können Sie die Isotope von normalem Eisen unterscheiden?

Feige: Das ist sehr aufwändig, denn in einem Gramm Sediment, das wir untersuchen, messen wir nur ein paar Eisen-60-Atome, das ist wirklich extrem wenig. Und die haben dann auch noch dieselbe Masse wie normales Nickel. Man braucht also erstmal eine Reihe an chemischen Reinigungsschritten, und dann wird die Probe mit einem riesigen Teilchenbeschleuniger und einem Massenspektrometer aufgetrennt. Derzeit gibt es weltweit nur einen einzigen Beschleuniger, der das schafft, der steht in Canberra in Australien.

Wo findet man diese Eisenisotope?

Feige: Im Prinzip überall, aber eben nur in sehr geringen Mengen. Besonders interessant sind für uns Tiefseesedimente, denn hier rieselt das Material nach und nach herunter und lagert sich sehr gleichmäßig in Schichten ab. Je tiefer die Schicht, umso höher ihr Alter. In unserem neuesten Projekt untersuchen wir auch die Ablagerungen in der Atacama-Wüste, hier bilden sich ähnliche Schichten wie in der Tiefsee. Findet man in einer solchen Schicht Eisen-60, kann man zurückrechnen, wann es sich abgelagert hat und welcher Stern es gewesen sein könnte, der explodiert ist.

Reise durch kosmische Blasen

Wie findet man heraus, von welchem Stern das Eisen-60 stammt?

Feige: Wir können die Bahn unseres Sonnensystems durch die Milchstraße rekonstruieren, es fliegt dabei immer wieder durch die Reste von Sternexplosionen. Der Weltraum ist kein leeres Vakuum, wie man immer denkt, zwischen den Sternen befindet sich das interstellare Medium aus Gas und Staub. Und das wird von Sternenexplosionen immer wieder durchgemischt und zusammengeschoben. Dabei entstehen Blasen, die man bestimmten Supernovae zuordnen kann. Unser Sonnensystem befindet sich gerade innerhalb einer solchen Blase, die sogenannte lokale Blase. Die ist ziemlich groß, weil sie gleich von mehreren Explosionen verursacht wurde.

Für Ihre Arbeit haben Sie vom Europäischem Forschungsrat ERC einen Starting Grant in Höhe von 1,7 Millionen Euro erhalten – was haben Sie damit vor?

Feige: Einerseits wollen wir die oben erwähnte Arbeit in der Atacama Wüste vorantreiben und herausfinden, ob sie sich vielleicht sogar besser für unsere Forschung eignet, als die Tiefseesedimente. Wir erhoffen uns, dass wir die Signale von Supernovae in dem Wüstenstaub besser auflösen können. Außerdem werden wir dort noch sogenannte Mikrometeorite untersuchen, das sind winzige Überreste von Asteroidenkollisionen in unserem Sonnensystem.

 

AUF EINEN BLICK

Jenny Feige arbeitet seit 2015 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Astronomie und Astrophysik der TU Berlin. Seit Januar 2022 ist sie zudem Gastwissenschaftlerin am Museum für Naturkunde, Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung und an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung.

Das Symposium der Kommission für Geowissenschaften der ÖAW "Katastrophen in der Erdgeschichte" widmete sich am 23. Oktober 2023 einigen dieser Ereignisse und ihren Auswirkungen auf die Evolution des Lebens.

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