25.01.2024 | Wissenschaftskommunikation

Wissenschaft vermitteln: Lachen macht aufmerksam

Wissenschaft ist eine ernste Sache? Mag sein, aber man kann sie trotzdem mit Humor erzählen, sagt Marc Abrahams. Er ist der kreative Kopf der Ig-Nobelpreise und hält heuer zum ersten Mal die “Vienna Lecture on Science Communication” von ÖAW und Ball der Wissenschaften.

Lachen ist nicht nur gesund, sondern hilft auch beim Vermitteln wissenschaftlicher Erkenntnisse. © Adobe Stock

Marc Abrahams, der Mann hinter den Ig-Nobelpreisen und improbable.com, ist sich beim Thema Wissenschaftskommunikation sicher: Man muss das Publikum zuerst zum Lachen und dann zum Nachdenken bringen.

Unter dem Titel “Wozu Wissenschaft kommunizieren?” hält er die erste “Vienna Lecture on Science Communication”, die von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Ball der Wissenschaften am Vorabend des Balls veranstaltet wird (und bereits ausgebucht ist).

Im Interview spricht der studierte Mathematiker über Wissenschaftskommunikation mit Humor, seine Erfahrungen mit Wissenschaft in der Schulzeit und die Entstehungsgeschichte der Ig-Nobelpreise, die ihr Publikum jedes Jahr mit Forschungsergebnissen und einem Augenzwinkern überraschen.

Sachen zum Lachen

Warum sind Sie Wissenschaftskommunikator geworden?

Marc Abrahams: Ich werde erst seit ein paar Jahren als Wissenschaftskommunikator bezeichnet. Selbst wäre ich auf die Idee gar nicht gekommen. Ich mache eigentlich immer noch das, was ich als Kind schon geliebt habe: Ich finde Dinge, die mich so überraschen, dass ich lachen muss. Später habe ich herausgefunden, dass Menschen, die so überrascht sind, dass sie lachen müssen, in diesen Momenten wirklich aufmerksam sind. Weil ich mich schon immer für Wissenschaft interessiert habe, war schnell klar, dass ich am liebsten auf lustige Art über interessante Forschung schreiben wollte.

Woher kam das Interesse für Wissenschaft?

Abrahams: Die meisten anderen Menschen, die ich als Kind gefragt habe, schienen sich nicht besonders für Wissenschaft zu interessieren. Ich glaube mittlerweile, dass es dafür gute Gründe gibt. Wenn Menschen mit Wissenschaft konfrontiert werden, egal auf welchem Niveau, ist das immer eine sehr ernste Angelegenheit. Es wird immer betont, dass hier wichtige Personen wichtige Dinge erklären. Ich glaube, dass Humor und Überraschung ein wichtiger Teil der Lösung für dieses Problem sind. Ich hatte das Glück, in der Schule einen guten Lehrer zu haben, der es geschafft hat, meine Aufmerksamkeit zu wecken und mich zu überraschen. Das hat mich gefesselt und ich habe mir all die interessanten Dinge gerne gemerkt, die erzählt wurden. Der erste Kontakt ist ein entscheidender Faktor für das Verhältnis von Menschen zur Wissenschaft. 

Wenn Menschen mit Wissenschaft konfrontiert werden, ist das immer eine sehr ernste Angelegenheit. Ich glaube, dass Humor und Überraschung ein wichtiger Teil der Lösung für dieses Problem sind.

Freude am Wissen

Machen Schulen heute einen guten Job?

Abrahams: Leider wird an den meisten Schulen nicht versucht, auf diese Art Interesse zu wecken. Es wird immer noch trocken über die Bedeutung von Entdeckungen referiert. Dabei ist es essentiell, Interesse und Freude zu wecken, wenn man Information vermitteln will. Ich mag es gerne, wenn Wissen lustig verpackt wird, aber es gibt auch andere Wege, zum Beispiel wenn man das Publikum mit der Präsentation kurzzeitig schockiert. Lachen ist meine bevorzugte Methode, die Leute dazu zu bringen, aufzupassen. Das wird in Schulen zu wenig praktiziert. 

Wo holen Sie sich ihre wissenschaftlichen Nachrichten?

Abrahams: Ich habe keine Lieblingsquelle für Wissenschaftsnachrichten. Ich schaue mir gerne so viele verschiedene Plattformen wie möglich an und picke mir die Rosinen heraus. Es gibt viele gute Publikationen, ich habe zum Beispiel mehrere Fachzeitschriften abonniert, wie Scientific American. Dort hat der mittlerweile pensionierte Martin Gardner früher eine exzellente Kolumne geschrieben, auf die ich mich immer gefreut habe und die dann eine wichtige Rolle in meiner Karriere gespielt hat. Offiziell ging es um Rätsel, aber Gardner hat über alles geschrieben, was ihn in der Wissenschaft gerade fasziniert hat. Er interessierte sich für alle möglichen Dinge und die überraschenden Geschichten, die er fand, waren immer großartig. 

Alternative Nobelpreise

Wie sind Sie zur Wissenschaftskommunikation gekommen?

Abrahams: Als Kind habe ich ungewöhnliche Geschichten gesammelt und es geliebt, sie niederzuschreiben. Ich habe dann Mathematik studiert und eine Softwarefirma geführt. Die Frage, ob es eine Möglichkeit gibt, beruflich lustige Texte über wissenschaftliche Themen zu verfassen, hat mich aber nicht losgelassen. Für solche Inhalte gab es aber keine Plattform. Deshalb habe ich dann den bereits erwähnten Martin Gardner kontaktiert. Er hat mir geraten, mich an das Journal of Irreproducible Results zu wenden, wo ich dann tatsächlich eine Chance bekommen habe. Für die nächsten sechs Jahre habe ich ein Doppelleben als Unternehmer und Redakteur geführt. Die Leserzahlen sind schnell explodiert und wir haben schon in meinem ersten Jahr den Ig-Nobelpreis gestartet. 

Um einen Ig-Nobelpreis zu gewinnen, muss eine Entdeckung lustig erzählt werden können, aber die Menschen sollen eine Woche später noch darüber nachdenken

Was zeichnet den Ig-Nobelpreis aus?

Abrahams: Um die Arbeiten, die einen Nobelpreis gewinnen, zu verstehen oder zu erklären, braucht man eine ganze Menge Vorwissen. Die Geschichten hinter den Ig-Nobelpreisen sind hingegen einfach nur fabelhaft: Sie können in einem Satz erklärt werden. Unsere Geschichten drehen sich um Arbeiten, die das Publikum zuerst zum Lachen und dann zum Nachdenken bringen. Wir machen uns aber über niemanden lustig. Um einen Ig-Nobelpreis zu gewinnen, muss eine Entdeckung lustig erzählt werden können, aber die Menschen sollen eine Woche später noch darüber nachdenken und das Bedürfnis haben, mehr zu erfahren. Wir wollen die Leute dazu bringen, sich für Dinge zu interessieren, die sie normalerweise ignorieren würden. 

Kommunizieren WissenschaftlerInnen ihre Arbeiten heute gut?

Abrahams: In den USA und anderen Ländern gibt es eine lange Tradition, Wissenschaftler:innen darauf zu trimmen, dass ihre Auftritte den Menschen vermitteln sollen, dass es hier um ernste und wichtige Themen geht. Das ist aber nur hilfreich, wenn das Publikum den Inhalt schon kennt. In allen anderen Fällen wäre es besser, wenn Wissen auf charmante, lustige und natürliche Art vorgetragen wird. Das ist zum Glück auch zunehmend der Fall.

Wie hat die Digitalisierung die Wissenschaftskommunikation beeinflusst?

Abrahams: Die Digitalisierung hat es viel einfacher gemacht, an Informationen zu kommen. Das Leben als Autor ist dadurch viel einfacher geworden. Wenn man Wissenschaft kommuniziert, gibt es heute viele Möglichkeiten. Wichtig bleibt, was das Publikum mitnimmt. Das kann nie “die ganze Geschichte” sein. Stattdessen kann man versuchen zu vermitteln, was die gute Frage hinter einer Geschichte ist. Dann wollen die Menschen mehr erfahren. 

Gibt es noch ein Publikum für Wissenschaftsnachrichten?

Abrahams: Es fehlt oft die Kontinuität. Wenn Redakteure entscheiden, jeden Tag eine andere verrückte Geschichte zu präsentieren, statt Themen zu begleiten, ist es wenig verwunderlich, dass es kein großes Stammpublikum gibt. Wir haben heute viel mehr exzellente Schreiber:innen, die sehr gut darin sind, interessante Themen zu finden. Vor allem viele junge Frauen erobern das Gebiet. Trotzdem gibt es in großen Medien tendenziell weniger Wissenschaftsnachrichten. 

Marc Abrahams © Heribert CORN

 

AUF EINEN BLICK

Marc Abrahams ist Schöpfer und Spiritus Rector der Ig-Nobelpreise. Als Ballbotschafter unterstützt er den heurigen Wiener Ball der Wissenschaften, der am 27. Jänner im Rathaus stattfindet.

Die Vienna Lecture on Science Communication” wird am 26. Jänner abgehalten und ist bereits ausgebucht.