Do, 12. Oktober 2023 | Kategorie Blog

Im Biosphärenpark: Wo Mensch und Natur sich treffen

Es ist sechs Uhr früh und ich stehe allein in einer dunklen Hotellobby. Ich warte auf meine Freunde für eine letzte Sonnenaufgangswanderung vor unserer Heimfahrt Richtung Wien. Langsam trudeln alle ein. Wir sind müde, aber es ist eine entspannte, zufriedene Müdigkeit.

Text: Nils Mosser | Fotos: Miriam Abi-ayad, Anna-Lea Blümel, Martina Darwich, Valerie Wallner

Intensiv von Anfang an

Manche fühlen sich bei unseren Seminaren positiv an Interrail erinnert: Man findet Freunde, lernt fürs Leben und schläft wenig. Direkt nach unserer Ankunft in Vorarlberg bekamen wir im Biosphärenparkhaus Großes Walsertal eine Einführung. Ein Biosphärenpark sei ein Gebiet, auf dem der Mensch lernen könne, mit der Natur im Einklang zu leben. Seit rund 20 Jahren bemühe man sich hier darum, Wirtschaft sowie Gesellschaft zu entwickeln, ohne wertvolle natürliche Habitate und Kulturlandschaften zu zerstören. 

Unser Hotel, direkt am Faschinajoch auf fast 1500 Metern Höhe, liegt direkt in der Natur. Das merken wir nicht zuletzt, als wir bei unserer morgendlichen Wanderung einen Umweg nehmen müssen. Selbst die Kühe schlafen noch und versperren uns den Weg. Es hat etwas Kathartisches, der Natur beim Erwachen zuzusehen.  Ich erinnere mich gern an die Zeit, die wir hier verbracht haben. 

Bei einer Waldführung am ersten vollen Tag gab uns ein Experte etwas Perspektive. Es war faszinierend zu hören, in welchem großen Gefüge wir eigentlich leben, wie sich die Welt um uns herum ändert und wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die laufende Evolution beobachten. Nach der vielen Zeit in der Natur war es aber auch schön, in einer Diskussionsrunde zu erörtern, wie Konflikte und Synergien das menschliche Zusammenleben, das Biosphärenparks ausmacht, hemmen oder beflügeln können. Auch die Unterbringung mit traumhaftem Ambiente, feiner Küche und eigenem SPA-Bereich haben uns gutgetan.  

Am nächsten Tag wartete ein großes Highlight auf uns. Bei einem Ausflug zu seiner Sennerei erzählte Biolandwirt Kurt Stark von seinem Leben und seiner Arbeitsweise. Für viele von uns war es der erste, hautnahe Einblick in die Käseproduktion. Mir ist aufgefallen, wie sehr wir in der Stadt oft vergessen, wo unser Essen herkommt, und welche Mühe dahintersteht. So habe ich eine ganz andere Wertschätzung mitgenommen, denn Landwirte sind heutzutage nicht nur Bauern, sondern idealerweise auch Unternehmer und Umweltschützer.  

All das in einer globalisierten Welt zu vereinen erscheint mir jetzt beinahe unmöglich. Während wir aufsteigen, sehe ich die endlosen von den Landwirten bewirtschafteten Wiesen. Das Wandern und meine Kollegen werden mir fehlen. Auf den Seminaren der österreichischen Studienstiftung kann man sowohl neue Freunde finden als auch alte Bekanntschaften pflegen. Aber auch die ungezwungene Möglichkeit aus dem Studium auszubrechen und etwas komplett anderes zu versuchen hat mich in den letzten Tagen fasziniert. 

Mit den beiden Nachmittagsvorträgen und einem Rollenspiel am zweiten Tag konnten wir das Erfahrene noch mit Theorie abrunden. Zwei der Wissenschaftler, die unser Seminar begleiteten, erklärten ihre Arbeit: der Geograph Martin Coy eröffnete mit drei sozialwissenschaftlichen Theorien zum Thema menschlicher Fortschritt. Danach referierte Arne Arnberger von der BOKU zum Thema “Gesundheit und Biosphärenparks” Das Fachprogramm endete mit einem Rollenspiel zum Thema Management eines Biosphärenparks.   

Das war gestern. Jetzt warten wir andächtig auf das Erscheinen der Sonne. Sie kommt auch, bleibt aber leider hinter einem Berg. Uns ist kalt geworden, also machen wir ein paar Erinnerungsfotos und entscheiden uns zurückzukehren, um noch Zeit fürs Frühstück zu haben.  Es ist sowieso schon längst hell. Der Weg nach Wien wird lang sein, aber an Gesprächsthemen wird es uns nicht fehlen.